Fabrik im Schreibtischformat
Es klickt und summt aus dem Büro von Fabian Behrendt, der am Fachbereich Wirtschaft an der Hochschule Magdeburg-Stendal lehrt. Grund dafür ist eine Konstruktion aus bunten Bauklötzen und elektrischen Elementen, die auf den ersten Blick an Spielzeug aus der Kindheit erinnert.
Doch wenn sich der Studiendekan und Professor für Produktionswirtschaft und Logistik mit diesem vermeintlichen Spielzeug beschäftigt, hat er ganz ernsthafte Dinge im Sinn: Mit der Lernfabrik möchte er Studierenden einen Einblick in die gesamte Prozesskette eines Produktes geben und dahinterstehende Digitalisierungsaktivitäten veranschaulichen. Was zunächst also simpel aussieht, ist hochkomplex und vor allem vernetzt, wie es heutzutage Fabriken zunehmend sind.
Industrie 4.0 lautet der Fachbegriff dazu, mit dem Digitalisierungsprozesse innerhalb der industriellen Produktion bezeichnet werden. Um diese virtuellen Prozesse zu simulieren, steht die Lernfabrik in ständiger Verbindung zu einer Cloud, über die alle Etappen der Produktion, der Auftragsstatus, die Lagerbestände und weitere relevante Daten eingesehen werden können.
Fabian Behrendt greift zum Tablet und tätigt über die Cloud eine Kundenbestellung. Rote, blaue und weiße Steine, 2 cm groß und rund, repräsentieren die Werkstücke. Jedes Werkstück beinhaltet einen Chip, auf dem Fertigungsinformationen gespeichert und ausgelesen werden können. Nach Bestelleingang wird das Werkstück aus dem automatisierten Hochregallager ausgelagert und an die erste Station der Fertigungslinie weitergeleitet. Von dort an beginnt seine Reise: Das Werkstück passiert weitere Stationen wie ein Multi-Bearbeitungszentrum und eine Sortierstrecke. Teil des Modells ist zudem eine schwenkbare Kamera, um den Ablauf der Produktion zu beobachten sowie eine Umweltstation, mit der die Luftqualität kontrolliert werden kann.
Man kann sich in dem Modell durchaus verlieren, wenn man beobachtet, wie das jeweilige Werkstück automatisiert von Station zu Station wandert und sich seinen Weg durch die Produktion bahnt.
Die Prozesse eines solchen Fabrikmodells sind vor allem für Studierende der Betriebswirtschaftslehre und des Wirtschaftsingenieurwesens mit Fokus auf Digitalisierung sowie Produktions- und Logistikmanagement spannend. Aktuell führt Behrendt den Studierenden die Lernfabrik über interaktive Live-Demos vor. Darüber sehen sie parallel zu den real gestreamten Fabrikabläufen die Daten und Eingabemasken in der Cloud. Innerhalb der Präsenzlehre seien auch Projekt- und Gruppenarbeiten denkbar, in der Kleinstgruppen für separate Bereiche wie Beschaffung, Produktion, Lager oder Distribution verantwortlich sein könnten. „Mir ist es wichtig, den Studierenden nicht nur Grundlagenwissen zu vermitteln, das sich nach dem Semester Stück für Stück verflüchtigt, sondern dass sie verstehen, was dahintersteckt.“
Mit der Lernfabrik von Fischer Technik möchte Behrendt seinen Studierenden einen einfachen Zugang zum Thema Produktionsmanagement und Logistik ermöglichen. Primäres Ziel ist es, den Studierenden anhand eines vereinfachten Fabrikmodells ein Grundverständnis für eine Produktionslinie zu vermitteln, so Behrendt. Zudem möchte er demonstrieren, wie digitale Technologie heutzutage eingebettet werden kann und welche aktuellen Trends es in der Industrie 4.0 gibt. „Die Studierenden schlucken immer erst einmal wegen der Komplexität des Themas, aber am Ende haben sie den Kern durchdrungen und sind froh über den praktischen Einblick.“
Behrendt, der seit 2019 an der Hochschule Magdeburg-Stendal lehrt und inzwischen Leiter des Instituts Technische Betriebswirtschaftslehre ist, hat viele Ideen, die er auf den Weg bringen möchte. Das Fabrikmodell soll Teil der beiden Forschungs-Labsund perspektivisch mit dem Cloudsystem der Hochschule verknüpft werden, um sowohl digital als auch physisch in Coworking-Spaces für alle zugänglich zu sein.
Neben solchen Anschauungsmodellen setzt Behrendt in seiner Lehre auch gern Planspiele ein, um mit den Studierendengruppen an Fallbeispielen strategische Unternehmensführung und Produktionsplanung mit unternehmerischen Entscheidungen durchzuspielen. Wer gelerntes Wissen selbstständig anwende, werde es verinnerlichen und wirklich verstehen, erläutert der Wirtschaftsingenieur und zitiert dabei Konfuzius: „Ich höre und vergesse, ich sehe und behalte, ich handle und verstehe.“