Was Isaac Newton mit Leistungssport zu tun hat

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Stellen wir uns folgendes vor: Eine Läuferin bereitet sich auf ihren Sprint vor. Sie kniet, ihr linker Fuß befindet sich fest auf dem Boden, ihr rechter Fuß steht am Startblock bereit. Sie richtet sich auf, der rechte Fuß setzt sich in Bewegung, sie sprintet los.

Das ist es, was wir sehen. Birte und Niklas sehen mehr. Und das nicht, weil sie hellseherische Fähigkeiten haben, sondern weil sie sich physikalischer Gesetze bedienen. Beide studieren Mensch-Technik-Interaktion, abgekürzt mit MTI. Im Studium lernen sie physikalische Gesetze nicht nur in der Theorie kennen, sondern wenden sie praktisch an und verstehen, wie sie Teil unseres Alltags sind. Auch in den Bewegungsabläufen unseres Körpers steckt jede Menge Physik. Jede Bewegung, die wir ausführen, ist dabei das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von Muskeln, Knochen und Gelenken. Birte und Niklas beschäftigen sich intensiv mit diesen biomechanischen Abläufen.

Den Großteil unserer Bewegungen führen wir automatisch aus und denken nicht weiter darüber nach. Bei sportlichen Aktivitäten ist eine saubere Bewegungsausführung allerdings entscheidend. Im Leistungssport wird sich deshalb intensiv mit der Biomechanik auseinandergesetzt. Maßgeschneiderte Trainingsmethoden und fortlaufende Optimierung sorgen für die perfekte Ausführung. Ob beim Skispringen, Laufen, Diskuswerfen oder Eiskunstlaufen – bereits kleinste Abweichungen in der Bewegung können große Auswirkungen haben. Birte und Niklas messen und analysieren innerhalb ihrer Projektarbeit die menschliche Bewegung, genauer die vertikalen Bodenreaktionskräfte in der Sport Biomechanik. Es ist kein Zufall, dass sich die beiden mit diesem sportlichen Thema auseinandersetzen. Birte kommt aus dem Leistungssport im Volleyball, war in der Leichtathletik sehr aktiv, ist ausgebildete Snowboard- und Surflehrerin und bewegt sich am liebsten mit dem Skateboard fort. Niklas fährt lieber die schweren Geschütze auf und macht vor allem Kraftsport. Sport ist ihr täglicher Begleiter und fasziniert sie sowohl in der Theorie als auch in der Praxis.

„Übt Körper A eine Kraft auf Körper B aus, so übt Körper B auf Körper A eine Gegenkraft aus”

Bodenreaktionskräfte, erklärt Niklas, sind diejenigen Kräfte, die auf einen Körper wirken, wenn er auf dem Boden steht. Im stillen Zustand entspricht diese Kraft dem Körpergewicht. Sobald er sich bewegt, verändert sich die Kraft. Kleiner Crashkurs in Physik: Das physikalische Prinzip, das dahintersteht, ist das 3. Newton´sche Gesetz, das besagt:  Übt Körper A eine Kraft auf Körper B aus, so übt Körper B auf Körper A eine Gegenkraft aus. Das ist das Prinzip von Actio und Reactio, besser bekannt als Wechselwirkungsprinzip. 

Eben diese Kräfte können über Kraftmessplatten gemessen werden. So eine Platte sieht aus wie ein modernes Laufband, ist aber zusätzlich mit Sensoren ausgestattet. Die Messung dieser Kräfte sei deshalb wichtig, weil damit Laufmuster analysiert werden können, erklärt Niklas. Solche Messungen geben also Auskunft über die genaue Bewegungsabfolge und Verlagerung des Körperschwerpunktes. Im Leistungssport ziehe man dadurch Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit und könne so das Laufverhalten verbessern. Die Herausforderung bei der Messung von Bodenkreationskräften sei es, vorhandene Schwingungen herauszufiltern, um möglichst saubere Messdaten zu erhalten. Birte erläutert, dass die Messung von Bodenreaktionskräften neben dem Leistungssport in vielen weiteren Bereichen eine große Rolle spiele, wie z.B. im Rehabilitationssport zur Vermeidung von Überbelastungen, zur Behandlung von Verletzungen oder zur Anpassung von Prothesen. Auch den perfekten individuellen Laufschuh könne man durch so eine Messung und Laufanalyse finden.

Die Arbeit innerhalb des Projektes, das am Institut für Angewandte Trainingswissenschaft in Leipzig angesiedelt ist, sei ein Highlight in ihrer bisherigen Studienkarriere, erzählen die beiden: „Wir arbeiten aktiv im Team mit und fühlen uns sehr ernst genommen. Das macht wirklich super viel Spaß“, führt Birte aus. Für beide steht deshalb fest: Sie werden auch in den kommenden Semestern im Projekt weiter mitarbeiten und ggf. ihre Bachelorarbeit dort verorten.

Projektarbeiten wie diese, erklären die beiden, sind im Studiengang Mensch-Technik-Interaktion ab dem 3. Semester vorgesehen und fester Bestandteil des Studiums. Dieser gelebte Praxisbezug unterscheide den Studiengang MTI von

anderen Studiengängen, vor allem im Vergleich zur Uni, führt Niklas aus, der sein Glück zunächst in der BWL suchte und schließlich an die Hochschule wechselte. Birte stimmt dem zu und erläutert, dass man über Projektarbeit in so viele unterschiedliche Bereiche blicken könne: „MTI ist wirklich in allen Lebensbereichen zu finden und das ist auch das Spannende daran. Mir fällt kein Sektor ein, wo MTI nicht wichtig wäre, denn überall spielen Technik und Digitalisierung eine Rolle.“ Um Mensch-Technik-Interaktion zu studieren, müsse man auch kein Befürworter neuster Technik sein. Viel wichtiger sei es, kritisch zu hinterfragen und technische Lösungen aus der Perspektive verschiedener Disziplinen zu analysieren. Die Fähigkeit, einen multiperspektivischen Blick auf die Dinge zu entwickeln, stehe immer im Mittelpunkt des Studiums. Daher werden die Gebiete Psychologie, Naturwissenschaft, Technik und Sozialwissenschaften gelehrt und fachübergreifende Zusammenarbeit werde stets angestrebt.

„Wer studiert, sollte sich das Wissen auch aneignen wollen und nicht nur für den Studienabschluss studieren”

Wer bei Mensch-Technik-Interaktion also das Klischee vom Roboter bastelenden Nerd vor Augen hat, liegt weit daneben. Im Mittelpunkt des Studiengangs steht nicht allein die Technik, sondern vielmehr der Mensch als Schnittstelle zur Technik. Die Bedarfe und Usability technischer Geräte werden ebenso diskutiert wie rechtliche und ethische Fragestellungen. Diese Themenvielfalt und unterschiedlichen Blickwinkel, die innerhalb des Studiums eingenommen werden, begeistern die Zwei. Birte bringt es auf den Punkt: „Wer studiert, sollte sich das Wissen auch aneignen wollen und nicht nur für den Studienabschluss studieren. Ich bin schließlich hier, um für mich einen Mehrwert zu schaffen.“

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