Wenn ihre Kommiliton:innen gerade aufwachen, ist Salma schon längst unterwegs. Die 70 Kilometer zwischen der Hochschule und ihrem Wohnort pendelt sie jeden Tag. Was sie dazu bewogen hat – und wie sie das in Zukunft handhaben möchte.

Eine gute Podcastfolge entfernt

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Nachdenklich schaut Salma aus dem Seminarraum, der gerade eben noch mit Leben gefüllt war. Ihre Kommiliton:innen strömen aus Haus 14 und der Campus erstrahlt in seinen schönsten Farben. Etwas getrübt durch die leichte Nebeldecke, nähert sich die Sonne dem Horizont. Wenn sie nach Hause kommt, ist von der Sonne nicht mehr viel zu sehen. „Die Vorlesungen sind um 14 Uhr zu Ende und ich komme erst gegen 16 oder 17 Uhr Zuhause an, dann ist es im Winter schon dunkel.“ 

Mit Zuhause meint Salma Köthen. Das ist etwa 70 Kilometer von ihrer Hochschule entfernt. Im Gegensatz zu dem Großteil der Studierenden ist sie für das Studium nicht nach Magdeburg umgezogen, sondern hat sich für das Pendeln entschieden. Für viele Studierende unvorstellbar, für andere der gewohnte Alltag. Dabei pendeln laut der ADAC Pendlerstatistik von 2020 rund 60 Prozent der deutschen Beschäftigten zur Arbeit. Bei Studierenden ist die etwas weitere Anreise zum „Arbeitsort“ weniger verbreitet. Während 2013 nach einer Erhebung des Deutschen Studentenwerks noch 16,6% angegeben haben, bei ihren Eltern oder Verwandten zu wohnen und somit zur Uni zu pendeln, lag dieser Wert 2019 nach Untersuchung der Universität Maastricht bereits bei rund einem Viertel der Studierenden. Hohe Mietpreise, die Corona Pandemie und die dadurch möglich gewordene Online-Lehre lassen vermuten, dass der Trend zum Pendeln nach oben gegangen ist.

„Ich war noch nicht bereit meine Familie nicht mehr jeden Tag zu sehen“

Auch für Salma war Corona ein Aspekt, der sie zum Pendeln bewogen hat. „Die meisten Vorlesungen waren online und die hätte ich von Zuhause gucken können, da hätte ich nicht extra eine Wohnung gebraucht.“ Als sie im Wintersemester 2021 ihr Journalismus-Studium anfing, war noch gut die Hälfte der Vorlesungen in Präsenz, ehe Anfang der Weihnachtszeit alles online stattfand. Seit dem zweiten Semester findet nun der Großteil wieder an der Hochschule statt. Geändert hat sich an ihrer Wohnsituation nichts, denn ihre Hauptgründe für das Pendeln waren ohnehin andere: „Am Anfang war ich mental noch nicht bereit auszuziehen, da ich sehr an meiner Familie hänge. Ich habe mich noch nicht gesehen, alleine einen Haushalt zu führen, alleine zu wohnen. Ich war noch nicht bereit, meine Familie nicht mehr jeden Tag zu sehen.“ 

Ein weiterer Grund ist finanzieller Natur. „Preislich komme ich natürlich mit dem Pendeln besser hin, aber es macht mich auch glücklicher.“ Würde Salma nach Magdeburg ziehen, würde sie weit mehr zahlen als die 191€, die sie monatlich für ihr Abo, das Fahrten mit der Regionalbahn und dem IC enthält, ausgibt. „Am Ende wäre es nur eine Komfortsache hierher zu ziehen: Dass ich nicht mehr so früh aufstehen muss!“ Salma steht nicht gerne früh auf. Doch wenn ihre erste Vorlesung um 8:15 Uhr beginnt, klingelt ihr Wecker um 5:45 Uhr. Das sind anderthalb Stunden bevor der RE30 von Köthen nach Magdeburg abfährt. Der Bahnhof in Köthen ist am anderen Stadtende, daher muss Salma fünf Minuten Fahrtzeit mit dem Auto einplanen. Ist sie in Magdeburg angekommen, kommen nochmal 20 Minuten mit der Straßenbahn dazu. Insgesamt ist sie damit zwei Stunden pro Tag unterwegs. Für Abendveranstaltungen an der Hochschule fährt sie auch die ganze Strecke mit dem Auto, bevorzugt aber sonst die Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. „Ich persönlich sehe das Autofahren als sehr anstrengend an, besonders wenn ich nach der Uni müde bin. Zugfahren ist etwas komfortabler.“

 

 

 

Die 37 Minuten von Köthen nach Magdeburg nutzt Salma immer anders. „Entweder höre ich einen guten Podcast oder ich bereite mich für die nächste Vorlesung vor. Aber es gibt auch Tage, an denen ich einfach aus dem Fenster starre und meine Ruhe brauche.“

Praxissemester stellt Wohnsituation vor eine neue Herausforderung

Inzwischen pendelt Salma seit mehr als einem Jahr. Das kommende vierte Semester ändert jedoch ihren gewohnten Alltag. Für das Praxissemester muss Salma für mindestens drei Monate ein Auslandspraktikum machen oder sechs Monate an einer Uni im Ausland studieren. Da Köthen im Herzen Deutschlands liegt, wirft dies neue Fragen für Salmas Wohnsituation auf. „Es ist schwierig, eine Wohnung im Ausland zu finden und diese auch bezahlen zu können. Das musste ich jetzt lernen, aber man kriegt das hin. Ich bin eher dankbar dafür, dass wir in unserem Studium ein Praxissemester machen können.“ Ein leichtes Lächeln zeichnet sich auf ihrem Gesicht ab und sie erzählt: „Ich habe schon aktiv bei der Praktikumssuche darauf geguckt, ob ich vielleicht sogar Bezugspersonen habe, wo ich einziehen kann. Mental, aber auch finanziell gesehen. Es scheint ganz so, dass ich mir keine eigene Wohnung suchen muss.“

Eine Bezugsperson in der Nähe zu haben, das schätzt Salma sehr. Trotzdem ist ihr anzumerken, dass das Pendeln auch an ihren Kräften zehrt. Am Ende des Tages ist sie „zu spät“ Zuhause. „Man hat nicht mehr die Lust, einem Hobby nachzugehen.“ Vor dem Studium und im ersten Semester habe sie ihr Hobby zum Job gemacht, indem sie aktiv für Instagram fotografiert hat. Mittlerweile ist das nicht mehr möglich. „Ich habe nicht mehr die Zeit dafür und mir fehlt die Motivation.“

Nicht immer läuft alles perfekt beim Pendeln. Manchmal kommt die Straßenbahn zu spät, an anderen Tagen findet eine Präsenzveranstaltung plötzlich doch online statt. Für Salma war es trotzdem die richtige Entscheidung, nicht auszuziehen. So kann sie ihr Traumstudium mit ihrem Rückzugsort verbinden. „Wenn mein Podcast gut ist“, erklärt Salma, „dann habe ich nichts gegen die Fahrt.“

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